Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) fordert entschieden den Abbau überflüssiger Bürokratie und eine konsequente Digitalisierung im Gesundheitswesen, um Praxen zu entlasten und die wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. Der Fokus in Zahnarztpraxen sollte auf der zahnmedizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten liegen – doch bürokratische Hürden und Verwaltungsaufgaben belasten den Praxisalltag zunehmend.

In den vergangenen Jahren wurde die Bürokratielast für Zahnarztpraxen durch neue gesetzliche Verpflichtungen stetig erhöht, während vereinbarte Maßnahmen zum Bürokratieabbau oft nur schleppend oder unzureichend umgesetzt wurden. Die jüngsten Umfragen zeigen, dass 96 % der Praxen in Westfalen-Lippe angeben, dass Bürokratie und unzureichende Digitalisierung die Zeit für die Patientenversorgung erheblich einschränken.

Bürokratiebelastung in Zahnarztpraxen: Ein Überblick

Aktuelle Erhebungen zeigen, dass Praxisinhaber*innen im Durchschnitt sechs Stunden pro Woche mit administrativen Aufgaben beschäftigt sind. Mitarbeitende kommen auf 2,5 Stunden. Das summiert sich auf 24 Stunden Bürokratie pro Woche pro Praxis. Diese wertvolle Zeit fehlt bei der Behandlung der Patientinnen und Patienten und belastet das gesamte Praxisteam.

Unausgereifte Digitalisierung

Meldungen über technische Störungen im digitalen Gesundheitswesen sind regelrecht an der Tagesordnung: Probleme beim Einlösen von E-Rezepten, Schwierigkeiten mit der elektronischen Patientenakte, Ausfälle beim Versichertenstammdatenmanagement und immer wieder Störungen bei der Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte. Diese Ausfälle beeinträchtigen den Praxisalltag und stellen sowohl die Praxisteams als auch die Apotheken vor große Herausforderungen. Oft bleibt es nicht bei kurzen Unterbrechungen – manche Störungen dauern Tage und legen ganze Versorgungsketten lahm. Am Ende dieser Kette steht immer der Patient. Und dessen Versorgung, die hier beeinträchtigt wird.

Damit beschäftigte sich am Tag der Zahngesundheit 2024 auch eine Podiumsdiskussion in Münster.

Kritik an neuer Patientenakte

Aufwand verursachen auch neue Anwendungen in der Telematik, die unausgereift und ohne ausreichende Tests durch den Gesetzgeber in die Versorgung gebracht werden. Die Zahnärzteschaft Westfalen-Lippe kritisiert zum Beispiel die geplante Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) zum 15. Januar 2025 als überstürzt und praxisfern. Im September 2024 hat noch kein einziger Softwarehersteller sein Modul für die neue Patientenakte vorgestellt. Für Praxen gibt es bisher nur eine Demo. Die Einführung ab 2025 ist aber verpflichtend. Mehr noch: Praxen, die keine funktionierende Software ab dem Stichtag zur Einführung vorweisen können, werden sanktioniert. Eine zu kurze Testphase von nur vier Wochen erschwert die Implementierung. Die KZVWL und ZÄKWL warnen vor technischen Problemen und einer Überlastung der Praxen, die bereits durch die Bürokratie stark belastet sind. Sie fordern eine längere Testphase, um die Patientenversorgung nicht zu gefährden. Ohne Verbesserungen droht die ePA mehr Chaos als Nutzen für Praxen und Patienten zu bringen.

Elektronisches Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ): Ein Vorzeigebeispiel

Ein gelungenes Beispiel für den Bürokratieabbau ist das Elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ). Dieses System ermöglicht es, Heil- und Kostenpläne digital und direkt über das Praxisverwaltungssystem an die Krankenkassen zu übermitteln. Dadurch entfallen umständliche Postwege, und der gesamte Prozess wird für Zahnarztpraxen und Patient*innen erheblich beschleunigt.

Mehr Bürokratie durch neue Gesetze

Seit 2015 sind viele neue Gesetze hinzugekommen, die den Verwaltungsaufwand in Zahnarztpraxen weiter erhöhen. Beispiele hierfür sind das eHealth-Gesetz, das Digitale-Versorgung-Gesetz und das Patientendatenschutzgesetz. Diese verpflichten Praxen zu zusätzlichen Dokumentations- und Meldepflichten, was wertvolle Zeit kostet, die für die Patientenversorgung dringend benötigt wird.

Handlungsbedarf für die Politik

Die KZVWL fordert die Politik eindringlich auf, ihre Versprechen einzulösen und den Bürokratieabbau zügig voranzutreiben. Die Ausweitung der Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs auf die KZVen stellt dabei eine zusätzliche bürokratische Hürde dar, die nicht gerechtfertigt ist. Anstelle neuer Doppelstrukturen muss der Fokus auf einem spürbaren Abbau bürokratischer Hemmnisse liegen, um die zahnärztliche Versorgung nachhaltig zu stärken.

Konkrete Vorschläge der Zahnärzteschaft

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) haben einen umfassenden Maßnahmenkatalog entwickelt, um den Bürokratieabbau voranzutreiben. Hier einige zentrale Beispiele:

  • Fortbildungsnachweis (§ 95d SGB V): Die verpflichtende regelmäßige Vorlage von Fortbildungsnachweisen soll durch stichprobenartige Prüfungen ersetzt werden, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
  • Berufshaftpflichtversicherung (§ 95e SGB V): Die doppelte Prüfung der Berufshaftpflichtversicherung durch Kammern und KZVen soll gestrichen werden, da die Versicherungspflicht bereits durch Landesgesetze abgedeckt ist.
  • Gutachterverfahren: Die bislang papierbasierten Gutachterverfahren sollen digitalisiert werden, um den Aufwand zu minimieren und Prozesse effizienter zu gestalten.
  • Bundesrechnungshof: Der Bundesrechnungshof hat Prüfrechte über die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen)erhalten, obwohl die KZVen keine Bundesmittel erhalten Die KZVen werden zudem bereits durch die zuständigen Landesaufsichten geprüft. Damit wurde eine neue Doppelstruktur geschaffen, die zusätzliche Ressourcen bindet, die anschließend bei den Kernaufgaben der Selbstverwaltung fehlt.

 

Positionspapier der KZVWL zur Bürokratie in der Digitalisierung